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HÖCKERSCHWAN von Alexander BAJOHR
Ammersee/ Starnberger See/ Maisinger See: Poesie der wilden Schwäne.
Feuer frei auf diese Landplage oder Futter für ein Hätscheltier?
Text und Fotos von Wolfgang Alexander Bajohr
Wirklich wilde Schwäne brauchen den Menschen nicht. Zum Leben so wenig wie zum Sterben. Denn die Natur weiß sich durchaus selber zu helfen und greift regulierend ein, falls es zu viele sind.
Schneeweiße Zaubervögel zum Fliegen geboren
Ein Singen liegt in der Luft. Zuerst ist es nur ein Summen, dann ein immer mächtiger anschwellendes Rauschen. Und endlich sind sie da, die weißen anmutigen Zaubervögel. Ganz klein noch scheinen sie in großer Höhe, im unendlichen Blau der klaren Luft schweben sie ein und sinken herab. Dabei drehen sie drei, vier Runden, starten dicht über den rauschenden Wellen noch einmal durch, und die ganze Formation zieht mit machtvollem Schlagen der mächtigen Schwingen eine letzte Runde. Nein, eine Ehrenrunde ist es nicht, aber ein Schwan, der bis zu 23 Kilo wiegt und damit unser schwerster Vogel ist, hat trotz seiner 2,70 Meter Flügelspannweite seine Startschwierigkeiten und natürlich auch seine Landeprobleme. Er muss korrekt auf die Windrichtung achten, und er weiß natürlich auch, dass er es gegen den Wind leichter hat. Je stärker der aber bläst und stürmt, desto wichtiger ist es, klug mit der Thermik umzugehen. So sinken die Schwäne herab, mit vorgestreckten Ruderfüßen auf der Wasseroberfläche schlitternd und mit suchend abwärts gebogenem Hals, um die Landepiste zu mustern. Schon beim Landeanflug winkelt der Höckerschwan die Handschwingen der Flügel ein, als hätte er Landeklappen ausgefahren. Kurz vor dem Aufsetzen stellt er noch einmal seine Schwingen bremsend senkrecht in Fahrtrichtung hochkant, um im Auslauf des Fluges langsam in das Wasser einzutauchen, das unter seiner Wucht hoch aufgischtet und aufspritzt in einem sonnendurchglühten Tropfenregen. Zuweilen fährt er auf den Rudern ein Stück Wasserski oder auf Spiegeleis rennt und schlittert er noch ein Ende dahin, bevor er endgültig zum Stehen kommt. Bei steifer Brise und Sturm steht er wohl auch am Ende der Landung wie ein Drachen einen Augenblick still in der Luft und setzt dann sanft senkrecht auf, wie ein Buschpilot.
Als Gruppe schätzen alle Schwanenarten der Welt den Formationsflug, weil er Kräfte spart. Sie verteidigen hingegen Kräfte vergeudend ihr Revier und eilen jedem Rivalen in gnadenlosem Zorn entgegen und jagen ihn kreuz und quer über den See, bis er flieht. Solche Kurzstreckenflüge flach über dem Wasser, kosten beide Gegner gewaltige Energie, weil sie ihr hohes Gewicht oft blitzartig aus dem Wasser wuchten müssen, um in die Luft zu kommen, und so plumpsen sie dabei oft mit vorgestellten Landeklappen wieder hinein. Wenn sie gar vor einem Steilufer mit Rückenwind hochkommen müssen, wird dieser Kampfstart zuweilen zur Katastrophe, die ein Schwanenleben kosten kann.
Ein klassischer Start verläuft anders. Aber auch hier kostet es Kraft mehr als 20 Kilo in die Luft zu bringen, viel Energie sogar, und umso mehr, je geringer der Wind ist. Ihre Startprobleme erkennt man, wenn sie mit weiten Schritten über das Wasser, das Eis oder gar auf Wiesen dahinrennen und hart mit den mächtigen Schwingen schlagen. Es faucht und pfeift, es prasselt sobald die Wasserperlen aufstieben. Für den ersten Anlauf, bis der Körper einmal aus dem Wasser heraus ist, braucht der Schwan 15-20 m. Dann senkt er den Hals zur Waagerechten. Schließlich gleiten nur noch die Schwanzfedern über das Wasser dahin, die Ruder sind frei und schlagen in schnellem Takt auf die Wellen.
Aber auch jeder Flügelniederschlag berührt noch spritzend das Wasser. Unmerklich gewinnt der Schwan an Höhe, bis endlich die Ruder lang nach hinten gestreckt sind und die Schwingen frei in der Luft bis tief nach unten durchschlagen können. Von jetzt an ist auch das seltsam singende Fluggeräusch zu hören, das nur der Höckerschwan hat und das gewiss auf dem Zug auch zur Stimmfühlung bei Nebel und Nacht wichtig ist. Einmal in der Luft und auf Fahrt, schrauben sich die herrlichen Märchenvögel immer höher, bis sie ihre Reiseflughöhe erreicht haben.
Dieser Abflug hat stets etwas Überwältigendes. Es gibt kaum Schöneres, als ein fliegendes Schwanenpaar, das in vollendeter Harmonie die Schwingen bewegt und scheinbar schwerelos durch die Lüfte gleitet. Sie sind schnelle und ausdauernde Flieger, die nur noch ruhig und gelassen schlagen, wenn sie entlang der Flüsse und Seeufer oder über der tobenden Brandung der Meeresküsten tief gegen die wildesten Herbststürme anfliegen, über aufgewühlter und gischtender Flut auf ihrer langen Reise ein Zwischenziel ansteuern, wo die Natur in einer Raststätte oder tierliebende Menschen Nahrung für sie bereithalten. Sie brauchen diese Menschen nicht, aber zuweilen versammeln sich 2-300 Schwäne an diesen Plätzen. Doch sind sie besser beraten weiterzuziehen, ehe sie auch hier der Winter einholt und sie dennoch südwärts weiterziehen müssen. Ein russisches Sprichwort sagt, dass sie den Winter auf ihren Schwingen tragen. Ziehen sie schlagartig weiter, folgt immer eine Kälteperiode.
Auf der Winterreise ist ihre Leistung gewaltig, und die in ihren Ursprungsgebieten in Nordrussland, Baltikum, Ostpreußen, Polen und Mecklenburg brütenden Höckerschwäne, insgesamt rund 140.000 Paare, beginnen Anfang Oktober mit ihrem Zug, bei dem sie sehr hoch fliegen, um am Rande geeigneter Hochdruckzonen die starken Jetstreams zu nutzen. Im Dezember 1967 wurden von einem Flugzeug aus ziehende Singschwäne über den Hebriden beobachtet, die in einer Höhe von 8.200 m flogen, wo die unglaublich niedrige Temperatur von -48 Grad C herrschte. Sie waren in Island vermutlich im Morgengrauen aufgebrochen, und man hat nachkalkuliert, dass sie ihr Ziel in Irland in nur 7 Stunden erreichen würden. Erstaunlicher Weise bringt ihnen der schnelle Zug in dieser Höhe keine Atem- und Kreislaufprobleme.
Gegen die Kälte schützt sie ihr dichtes Gefieder. Amerikanische Wissenschaftler haben 25.216 Federn nachgezählt, von denen alleine runde 20.000 als Schwanenpelz Kopf und Hals bedecken. Den Menschen zum Entzücken kann der imponierende Schwan seine schneeweißen Federn wie eine Blüte entfalten, aber das ist nicht ihre Aufgabe. Ich habe am Starnberger See in der Früh Schwäne berührt, die nachts mitten auf dem See schlafen, weil dort kein Fuchs hinkommt. Sie waren mit einem beinharten Eispanzer überkrustet. Das zeigt, wie optimal die Isolierschicht des Gefieders ist, weil keine Wärme durchdringt, um das Eis abzutauen. Es zerfließt erst unter der goldenen Morgensonne.
"Schutzgeist der Fylgia" oder "Fuhrmann für Hänsel und Gretel"?
An ihrer erhabenen Schönheit und dem sich jährlich wiederholenden Zug mag es liegen, dass alle Schwäne den Menschen mit Sehnsucht erfüllen, die sie wünschen lässt, das seien menschliche Wesen im Schwanengewand, und nur zu gerne würden sie mit ihnen tauschen. Wenn sie unter glutrotem Himmel über Wellen und Schaumkronen in aufgewühlter See herangleiten und wassern, wird ein Kindertraum lebendig, von den verwunschenen Prinzen im Gewand der schneeweißen Wundervögel. Es gibt so viele Schwanenmärchen, die verzauberte Jungfrauen oder Prinzen besingen, dass sie ein Buch füllen können. Aber auch alle Engel im Kirchengewölbe tragen Schwanenflügel, denn der hohe Flug und das blendend weiße Gefieder verleihen ihnen die ätherische Unendlichkeit des Himmels. Schon in der griechischen Mythologie wird Leda von Zeuss in Gestalt eines Schwanes verführt. Die Griechen weihten ihn auch wegen seiner Anmut Apollo, dem Gott des Schönen, und als Zugvogel für den Wagen von Adonis und Aphrodite, taugt alleine der Höckerschwan. Englischen Mythologien liegt der kleinere Singschwan zugrunde, in Mitteleuropa der Höckerschwan. Schon in den Schöpfungsmythen spielen Schwäne eine heilige Rolle. Die Weltesche Ygdrasil bezog ihre Kraft aus einer Quelle, auf der ein Schwanenpaar trieb, und hier im Heiligtum der Götter lebten die drei Nornen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Schwan ist als heiliges Tier der Frigga geweiht. Schwanenritter und Schwanenjungfrauen sind Teil unserer eigenen Geschichte. Geheimnisvolle ferne Schwanenseen sind nicht nur ein Zauberbild der Sehnsucht, es gibt sie heute noch. Todkündender Schwanengesang ist Teil eigener Wundergläubigkeit, die uns langsam abhanden kommt. Der Höckerschwan heißt mit seinem lateinischen Namen der Stumme Schwan, aber so stumm ist er nicht. Selten hört man mehr als ein ärgerliches Schnarren oder Zischen. Aber er kann im Streit auch laut und hell trompeten wie ein Kranich.
Weltweit geliebtes Hätscheltier?
Weiße Schwäne mit königlicher Pracht und voller Majestät sind das mystische Sinnbild anmutiger und stolzer Gelassenheit, für die kaum ein edleres und schöneres Klischeebild denkbar ist, als das der majestätisch dahingleitenden Schwäne.
Im Norden und Osten, aber auch von Mecklenburg bis Ostpreußen, ist der Schwan heute noch ein scheues Wildtier. Bei uns hat er es schwer, das auch zu bleiben. Die großangelegte Faunenverfälschung in Europa geht auf den angelsächsischen König Edgar und das Jahr 966 zurück. Es muss ihn maßlos gewurmt haben, dass Schwäne in England nur als Wintergäste an der Küste aufgetaucht sind und im Frühling zu ihren Brutplätzen zurückflogen. So hatte er die königliche Idee, Handschwingen zu stutzen, und alsbald erfreute das lebendige Abbild menschlicher Prunksucht, bis heute, die englischen Gewässer. Seither gehören Themseschwäne als hohes Wild der Königin. Weltweit wurden sie edles Geschenk unter den Herrschenden, und die fanden bald bürgerliche Nachahmer. Norddeutschland weist Schwanenhaltung seit 1398 nach, und die preußische Krone besaß und pflegte die Höckerschwäne auf der Havel noch bis 1918, bis aus königlichen republikanische Schwäne wurden. Aber wie griechische Vasen aus dem Jahr 480 v.Chr. zeigen, gibt es ältere Vorbilder. Auch Brahma empfängt schon im 8.Jh. nach Chr. die Huldigung des Hamsa-Vogels, der eindeutig ein Schwan ist. Im Norden und Osten galt der Schwan traditionell als Hochwild, das nur Könige bejagen durften. Sie jagten Hochwild mit der Kugel. Als ansehnlicher Riesenbraten war der Schwan der Tafel der Könige vorbehalten. So hat sich der Schwan alsbald im königlichen Wildpark wiedergefunden, denn damals kannte man noch keine Kühlgeräte. Er blieb damit nicht nur Repräsentiervogel der Schönheit wegen, sondern wurde auch, als ständig greifbarer Braten für die Tafel, hinter Schlossmauern gehalten. Man hat ihm den wertvollen Schwanenpelz für die Damen abgezogen und ihn danach mit Kräuterbutter und Knoblauchsalz bestrichen und gegrillt. Da soll er vorzüglich geschmeckt haben.
Während am Ammersee nur 6 Schwanenpaare brüten, scheint am Starnberger See Bestand und Zahl der Wintergäste zu explodieren. Der Grund dafür liegt alleine beim Füttern. Wenn ich morgens vor Sonnenaufgang mit der Kamera angerückt bin, um Schwäne im Morgennebel aufzunehmen, war noch kein Schwan da. Aber alte freundliche Damen aus München, mit dem Futtereimer, warten schon auf ihre Schwäne. Es war zu tierfreundlich gedacht. Denn alsbald ist der Ruf nach dem Jäger laut geworden, der die "Schwanenplage" eindämmen soll, die das Werk der Tierfreunde ist. Beim Jäger aber ist Schwanenjagd höchst unbeliebt, denn sie wollen nicht gerne die Prügelkinder der Tierfreunde werden.
Gewiss ist Schwanenjagd vom 1.9.-15.1. durchaus erlaubt und eine nachhaltige Nutzung reichlich vorhandener Naturgüter wäre auch nicht verwerflich. Aber Jäger sehen die gewünschte Hinrichtung halbzahmer Tiere nicht als Jagd und nicht als ihre Aufgabe in der Natur an. Jagd ist es sicher auch nicht, und die Verwaltungsjuristen im Landwirtschafts-Ministerium haben offenbar auch keine Ahnung vom Schwan, denn sonst hätten sie hierfür längst den Schrotschuss verboten, weil er in den seltensten Fällen das Gefieder richtig durchschlägt und den Schwan nicht sofort töten kann, sondern grausam quält. Tierfreunde haben am Starnberger See noch lebende blutverschmierte Schwäne in einem Kahn ausgemacht und sind zu Recht empört. Wenn schon jemand glaubt, dass reduziert und gejagt werden soll, sollte es wenigstens nur mit der Kugel möglich sein, aber eine vom Vogelschutz geforderte Änderung der Jagdverordnung hat erst kürzlich Bayerns Agrarminister abgelehnt. Er beharrte hartherzig darauf, dass die traditionell zum Hochwild gehörenden Schwäne Niederwild sein sollen, also mit Schrot geschossen werden dürfen. Schon vor Anno 1600 hat Martin Strasser die Schwanenjagd auf der Pirsch und mit der Kugel beschrieben! Er wusste aber auch zu berichten, dass auf dem Chiemsee die Fischer Schwäne und Enten mit Leimschnüren gefangen und mit dem Ruder erschlagen haben. Auch heute sind die am Schwan interessierten Schützen meist Fischer mit Jagdschein. Für die Verwertung dieser Beute sind ihnen Grenzen gesetzt, denn eine Bundeswildschutzverordnung verbietet den Verkauf des Bratens. Der Schütze muss also seine 10-20 kg schweren Schwanenbraten selber essen, essen, und nochmals essen. Das wird ihm bald zum Hals heraushängen und an einem zähen alten Schwan mag er sich auch die Zähne ausbeißen. Wenn er gelegentlich einen Schwan erlegt, wird das der Art sicher nicht gefährlich. Verantwortungslos ist nur der Schrotschuss. Aber auch Tierfreunde verhalten sich zum Schwan zuweilen schizophren. Erst füttert und hätschelt man sie als Streicheltier, und dann vergleicht man sie mit einer Landplage gleich Wanderratten. Man lastet ihnen gar das Schilfsterben an, ohne dass sie etwas dafür können. Ausgerechnet in der tierfreundlichen Schweiz hat man eine besondere Reduzierungsart ersonnen, weil man von der heiß geliebten Fütterung nicht lassen will. Man hat den Schwänen früh morgens ein Schlafmittel ins Futter getan. Als den Schwänen übermüdet der Kopf ins Wasser sank, da sind sie jämmerlich ertrunken. Man war noch stolz darauf, weil man meinte, dass Schwäne sich ja in Revierkämpfen nur verletzen würden. Man habe es nicht übers Herz gebracht, die natürliche Regulierung Naturgott Pan und den Schwänen selbst zu überlassen. Dann doch lieber gelegentlich Jagd nach einem Braten, als das im Futterbrot eingebackene Schlafmittel!
Lassen wir also die herrlichen weißen Riesenvögel fliegen, wann und wohin sie wollen, denn fliegen und weiterfliegen in ihr Winterquartier würden sie allemal, wenn wir sie nicht mit unserem Futter verführen würden, auch im Winter hier zu bleiben. Zum Überleben im Winter brauchen sie die Menschen nicht. Denn der schneeweiße Zaubervogel ist zum Fliegen geboren, und wie alle Zugvögel würden auch die in ganz Deutschland lebenden 10.000 Paare in die Winterquartiere weiterziehen.
So kämpfen und so lieben sie
Ihre zauberhafte Schönheit und Anmut verstellt uns Menschen oft den Blick. Unser romantisches Bild von den hoheitsvollen weißen Vögeln ist von Gefühlen und Emotionen belastet und es zeigt uns die Schwäne nicht, wie sie wirklich sind. Schaut man genauer hin, dann sind am Ende des Jahres die meisten der Schwäne am Starnberger See oder an der Isar, ohne Nachwuchs geblieben. Wer kein Revier erkämpft, der hat für seine Kinder auch keine Nahrungsgrundlage, denn den Schwanenbabys hilft der Futtersack überhaupt nicht. Es bleibt nicht aus, dass ein junges Paar sich gerade dort ansiedeln will, wo ein altes Paar seit Jahren ein Revier beherrscht. Im Hochwinter ist es noch zu früh für verliebte Balz-Szenen, aber fest verpaarte Schwäne, deren Liebe ein Leben lang hält, suchen jetzt schon ein Brutrevier. Werden beide Paare an der Grenze einander ansichtig, eilt stets der Schwan voraus und die Schwänin folgt sittsam auf Distanz. Was uns der mit aufgestellten Flügeln segelnde Schwan vermittelt, wirkt auf Beobachter wie ein Bild vollkommenster Eitelkeit. Früher war man der Meinung, dass der Höckerschwan ein Narziss sei, der trunken vor der eigenen Schönheit auf sein Spiegelbild starrt, blind vor der nahenden Gefahr des Rivalen. In Wirklichkeit dient diese Haltung der Einschüchterung des Nahenden, und jeder von beiden kocht vor Wut. Die Körper ruhen tief im Wasser und sie segeln mit hoch aufgestellten Schwingen. Der Hals ist bis auf den Körper zurückgezogen und die Schnäbel stützen sich vorne auf den Hals. Sie gleiten mit raschen Schwimmstößen auf die unsichtbare Reviergrenze zu und schleudern einander den Kopf, wie stoßend, zum Beißen entgegen, um ihn gleich danach anzulegen. Wieder und wieder beginnen beide sich im Wasser zu drehen und um die eigene Achse zu kreiseln. Wieder und wieder kreiseln sie umeinander an der Grenze herum und sehen einander zornig tief in die Augen, heben den Hals, als sei der Anblick unerträglich, senken den Schnabel und bieten auch voreinander jenes herzförmige Bild wie bei der Balz. Aber mit Liebe hat dieses nichts zu tun, denn an den Schnabelhöckern und auch am rostroten Hauch am Hals, ist zu sehen, dass es zwei Männer sind. Es ist ein aggressives Balztanzspiel im Wasser, ein Drehen ohne Unterlass, mal links, mal rechts herum, ein Kriegstanz im Wasser, an Reviergrenzen. Er genügt meist, um einen Ernst- und Beschädigungskampf zu verhindern, ein ritualisiertes Duell, das sich auflöst, wenn beide sich von den Grenzen entfernen.
Im Ernstfall beginnt der Kampf stumm und plötzlich. Hoch aufgerichtet, heftig das Wasser tretend und mit mächtigen Schwingenschlägen auf den Gegner zielend, kämpfen sie auf Leben und Tod. Beide heben sich wuchtig mit den Schwingen schlagend aus dem Wasser, versuchen sich mit den Hälsen niederzudrücken, in einem unter Schwingenschlägen sprühenden Funkenregen aus Wassertropfen, den Gegner mit dem Schnabel zu packen und zu ertränken. Ein Flügelschlag kann den Arm des Menschen brechen, hier aber setzt es hunderte harter Schläge. Zäh und verbissen dabei ringend, mit zuckenden Hälsen drückend, schnappend, packend und beißend, reißen sie aneinander erbarmungslos mit den Schnäbeln. Kopf an Kopf und Schnabel an Schnabel drückt der Platzschwan mit dem Hals, klettert auf den Unterliegenden, versenkt ihn vollends unter Wasser, packt mit Kopf und Schnabel nach und drückt, bis auch er fast im Wasser verschwindet. Aber auch er muss wieder nach oben und beide schnippen wie Korke hinauf. Die Gelegenheit nutzt der Jungschwan und eilt auf dem Wasser rennend und mit den Flügeln schlagend, abfliegend davon, eine Weile auch in der Luft noch verfolgt vom Sieger. Beider Schwingen fauchen und prasseln in das aufspritzende Wasser, der Sieger aber kehrt in weitem Bogen fliegend zurück zu seiner Partnerin. Um das im Kampf lädierte Gefieder zu richten, schließt sich eine ausgedehnte Putzzeremonie an.
Das ritualisierte Balz-Kampf-Spiel hilft Ernstkämpfe vermeiden und die Grenzen zwischen zwei Revieren auch am großen See abstecken. Auf einem viel kleineren Schwanensee, der nur Platz für ein Revier hat, haben aggressive Altschwäne schon reihenweise Jungschwäne umgebracht. Böse alte Revierschwäne regulieren damit auf natürliche Weise den Bestand, auch ohne die Flinte des Menschen. Er bewacht und verteidigt sein brütendes Weibchen gegen jeden anderen Wasservogel und selbst gehen die Hand, die ihn sonst füttert. Zahme und halbzahme Schwäne können auch dem Menschen gefährlich werden. Wild gebliebene achten dagegen immer auf Distanz. Revierschwäne attackieren selbst einen harmlosen Karpfen, der sich dem Nestbereich arglos nähert, und vertreiben ihn, dass er rasch abtaucht. Aber entgegen dick aufgetragenem Fischerlatein fressen sie ihn niemals. Kein Fall ist belegt, dass ein Schwan sich am Fisch und seiner Brut vergreift, denn er ist reiner Vegetarier, der bevorzugt Unterwasserpflanzen abweidet und damit mineralisiert. Damit nutzt er jedem Gewässer, weil sich kein Faulschlamm mehr bilden kann. So tief sein Hals noch reicht, 1-1,25 m weidet er die, im überdüngten Wasser der durchsonnten Zone überreichlich gedeihenden Unterwasserpflanzen ab und verdaut sie gut. Aber ihre begrenzte Menge setzt für eine Schwanenfamilie, die satt werden will, immer ein Revier voraus. Das Bild vom brutal um sein Revier kämpfenden Schwan mag für manchen ein romantisches Bild vom hoheitsvollen Märchenvogel zerstören, aber so sind die Schwäne wirklich. Ihr Kampf um ein Revier ist typisch ein Teil ihres Wesens.
Dass Schwan und Schwänin sich ein Leben lang treu zugetan sind, macht sie wiederum so menschlich. Bevor der Schwan seine Schwänin tritt, bieten beide im Spätwinter ein bezauberndes Bild herzlicher Zweisamkeit, wenn sie die Köpfe zueinander neigen und zusammen mit den Hälsen ein Herzbild formen. Wo es im Vorfrühling von Jungschwänen wimmelt, wie an Isar und unserem See, zeigen auch sie schon das rührende Bild dieser herzlichen Zuneigung. Bei der Mehrzahl bleibt es Illusion, denn sie haben kein Revier, und so werden sie ohne Nachwuchs bleiben. Viele ziehen wieder fort, in ihre eigenen Brutgewässer bis ins ferne Russland.
Die Kinder kommen
Ein Revierschwan beginnt Mitte Februar sein altes Nest zu reparieren. Irgendwann liegen 5 - 8 Eier darin, aus denen Küken nach etwa 35 Tagen schlüpfen. Sehr ernst gemeint ist die Warnung an alle, die glauben, hier mit der Regulierung eingreifen zu können. Früher zuweilen praktizierte Regulierungsmethoden sind Wilderei, und selbst dem Jäger nicht mehr erlaubt. Es ist auch lebensgefährlich, sich den brütenden Schwänen zu nähern, denn schon mancher "Regulierer" ist dabei vom wachsamen Altschwan mit den Flügeln verprügelt und ernsthaft verletzt worden.
In Vogelbüchern heißt es, dass nur die Schwänin brütet.
Das ist falsch, denn wir haben die Brutablösung in allen Phasen fotografiert. Der Vater brütet hartnäckig. Doch wenn in rascher Folge die Schalen springen, ist das Mamasache. Sobald die Küken trocken sind, werden sie unter der Obhut beider Eltern einen ersten Ausflug machen, doch zum Schlafen immer wieder in das Nest zurückkehren. Es ist stets ein rührendes Bild, wenn die Kinderschar der Mutter folgt und der Vater drohend hinterdrein rudert. Oft ruhen sie wie eine Matrosenschar geborgen auf dem Rücken der Mutter aus. Doch alle Sorgfalt nutzt nicht viel. Die Jungen werden immer weniger. Eines packt ein alter Hecht, ein anderes Rohrweihe, Marder oder Fuchs. Schon jetzt wird deutlich, dass bei dem so wehrhaften Schwan die Jugendsterblichkeit sehr groß ist. Wenn Sie nach 4 1/2 Monaten ihr graues Jugendgefieder anlegen und schon flugfähig sind, wechseln gleichzeitig die Altschwäne noch vor der langen Reise komplett ihr Großgefieder. Die Kinder werden 3-4 Jahre brauchen, bis sie so schmuck wie die Eltern sind und sich ein Brutrevier suchen können. Viele von ihnen erleben es nicht, weil der Winter Auslese hält. Nur die Stärksten dürfen überleben. Jungschwäne haben kürzere Hälse als Altschwäne, und können noch nicht so tief die Unterwasserpflanzen erschließen. Sie müssten wegziehen, aber wenn ihnen der Mensch die Existenzsorgen mit seiner Fütterung abnimmt, bleiben sie hier und überleben alle. So gibt es eigentlich keinen Problemvogel Schwan, sondern nur ein Schwanenproblem durch Menschen, die der Natur ins Handwerk pfuschen. Von den 250 Paaren auf dem Schwanensee in Guja/Ostpreußen, erfroren im Katastrophenwinter 1928/29 fast alle Schwäne, nur 3 Paare überlebten. Es brauchte 30 Jahre, um alle Reviere wieder aufzufüllen. In Holstein erlosch der Bestand total und brauchte 40 Jahre, ehe er wieder auf 600 Paare angewachsen ist. Zum Kreislauf des Lebens, das sich immer wieder erneuert, gehört beim Schwan die Auslese durch Fressfeinde, Not und Tod durch den Winter.
HÖCKERSCHWAN von Alexander BAJOHR
Ammersee/ Starnberger See/ Maisinger See: Poesie der wilden Schwäne.
Feuer frei auf diese Landplage oder Futter für ein Hätscheltier?
Text und Fotos von Wolfgang Alexander Bajohr
Wirklich wilde Schwäne brauchen den Menschen nicht. Zum Leben so wenig wie zum Sterben. Denn die Natur weiß sich durchaus selber zu helfen und greift regulierend ein, falls es zu viele sind.
Schneeweiße Zaubervögel zum Fliegen geboren
Ein Singen liegt in der Luft. Zuerst ist es nur ein Summen, dann ein immer mächtiger anschwellendes Rauschen. Und endlich sind sie da, die weißen anmutigen Zaubervögel. Ganz klein noch scheinen sie in großer Höhe, im unendlichen Blau der klaren Luft schweben sie ein und sinken herab. Dabei drehen sie drei, vier Runden, starten dicht über den rauschenden Wellen noch einmal durch, und die ganze Formation zieht mit machtvollem Schlagen der mächtigen Schwingen eine letzte Runde. Nein, eine Ehrenrunde ist es nicht, aber ein Schwan, der bis zu 23 Kilo wiegt und damit unser schwerster Vogel ist, hat trotz seiner 2,70 Meter Flügelspannweite seine Startschwierigkeiten und natürlich auch seine Landeprobleme. Er muss korrekt auf die Windrichtung achten, und er weiß natürlich auch, dass er es gegen den Wind leichter hat. Je stärker der aber bläst und stürmt, desto wichtiger ist es, klug mit der Thermik umzugehen. So sinken die Schwäne herab, mit vorgestreckten Ruderfüßen auf der Wasseroberfläche schlitternd und mit suchend abwärts gebogenem Hals, um die Landepiste zu mustern. Schon beim Landeanflug winkelt der Höckerschwan die Handschwingen der Flügel ein, als hätte er Landeklappen ausgefahren. Kurz vor dem Aufsetzen stellt er noch einmal seine Schwingen bremsend senkrecht in Fahrtrichtung hochkant, um im Auslauf des Fluges langsam in das Wasser einzutauchen, das unter seiner Wucht hoch aufgischtet und aufspritzt in einem sonnendurchglühten Tropfenregen. Zuweilen fährt er auf den Rudern ein Stück Wasserski oder auf Spiegeleis rennt und schlittert er noch ein Ende dahin, bevor er endgültig zum Stehen kommt. Bei steifer Brise und Sturm steht er wohl auch am Ende der Landung wie ein Drachen einen Augenblick still in der Luft und setzt dann sanft senkrecht auf, wie ein Buschpilot.
Als Gruppe schätzen alle Schwanenarten der Welt den Formationsflug, weil er Kräfte spart. Sie verteidigen hingegen Kräfte vergeudend ihr Revier und eilen jedem Rivalen in gnadenlosem Zorn entgegen und jagen ihn kreuz und quer über den See, bis er flieht. Solche Kurzstreckenflüge flach über dem Wasser, kosten beide Gegner gewaltige Energie, weil sie ihr hohes Gewicht oft blitzartig aus dem Wasser wuchten müssen, um in die Luft zu kommen, und so plumpsen sie dabei oft mit vorgestellten Landeklappen wieder hinein. Wenn sie gar vor einem Steilufer mit Rückenwind hochkommen müssen, wird dieser Kampfstart zuweilen zur Katastrophe, die ein Schwanenleben kosten kann.
Ein klassischer Start verläuft anders. Aber auch hier kostet es Kraft mehr als 20 Kilo in die Luft zu bringen, viel Energie sogar, und umso mehr, je geringer der Wind ist. Ihre Startprobleme erkennt man, wenn sie mit weiten Schritten über das Wasser, das Eis oder gar auf Wiesen dahinrennen und hart mit den mächtigen Schwingen schlagen. Es faucht und pfeift, es prasselt sobald die Wasserperlen aufstieben. Für den ersten Anlauf, bis der Körper einmal aus dem Wasser heraus ist, braucht der Schwan 15-20 m. Dann senkt er den Hals zur Waagerechten. Schließlich gleiten nur noch die Schwanzfedern über das Wasser dahin, die Ruder sind frei und schlagen in schnellem Takt auf die Wellen.
Aber auch jeder Flügelniederschlag berührt noch spritzend das Wasser. Unmerklich gewinnt der Schwan an Höhe, bis endlich die Ruder lang nach hinten gestreckt sind und die Schwingen frei in der Luft bis tief nach unten durchschlagen können. Von jetzt an ist auch das seltsam singende Fluggeräusch zu hören, das nur der Höckerschwan hat und das gewiss auf dem Zug auch zur Stimmfühlung bei Nebel und Nacht wichtig ist. Einmal in der Luft und auf Fahrt, schrauben sich die herrlichen Märchenvögel immer höher, bis sie ihre Reiseflughöhe erreicht haben.
Dieser Abflug hat stets etwas Überwältigendes. Es gibt kaum Schöneres, als ein fliegendes Schwanenpaar, das in vollendeter Harmonie die Schwingen bewegt und scheinbar schwerelos durch die Lüfte gleitet. Sie sind schnelle und ausdauernde Flieger, die nur noch ruhig und gelassen schlagen, wenn sie entlang der Flüsse und Seeufer oder über der tobenden Brandung der Meeresküsten tief gegen die wildesten Herbststürme anfliegen, über aufgewühlter und gischtender Flut auf ihrer langen Reise ein Zwischenziel ansteuern, wo die Natur in einer Raststätte oder tierliebende Menschen Nahrung für sie bereithalten. Sie brauchen diese Menschen nicht, aber zuweilen versammeln sich 2-300 Schwäne an diesen Plätzen. Doch sind sie besser beraten weiterzuziehen, ehe sie auch hier der Winter einholt und sie dennoch südwärts weiterziehen müssen. Ein russisches Sprichwort sagt, dass sie den Winter auf ihren Schwingen tragen. Ziehen sie schlagartig weiter, folgt immer eine Kälteperiode.
Auf der Winterreise ist ihre Leistung gewaltig, und die in ihren Ursprungsgebieten in Nordrussland, Baltikum, Ostpreußen, Polen und Mecklenburg brütenden Höckerschwäne, insgesamt rund 140.000 Paare, beginnen Anfang Oktober mit ihrem Zug, bei dem sie sehr hoch fliegen, um am Rande geeigneter Hochdruckzonen die starken Jetstreams zu nutzen. Im Dezember 1967 wurden von einem Flugzeug aus ziehende Singschwäne über den Hebriden beobachtet, die in einer Höhe von 8.200 m flogen, wo die unglaublich niedrige Temperatur von -48 Grad C herrschte. Sie waren in Island vermutlich im Morgengrauen aufgebrochen, und man hat nachkalkuliert, dass sie ihr Ziel in Irland in nur 7 Stunden erreichen würden. Erstaunlicher Weise bringt ihnen der schnelle Zug in dieser Höhe keine Atem- und Kreislaufprobleme.
Gegen die Kälte schützt sie ihr dichtes Gefieder. Amerikanische Wissenschaftler haben 25.216 Federn nachgezählt, von denen alleine runde 20.000 als Schwanenpelz Kopf und Hals bedecken. Den Menschen zum Entzücken kann der imponierende Schwan seine schneeweißen Federn wie eine Blüte entfalten, aber das ist nicht ihre Aufgabe. Ich habe am Starnberger See in der Früh Schwäne berührt, die nachts mitten auf dem See schlafen, weil dort kein Fuchs hinkommt. Sie waren mit einem beinharten Eispanzer überkrustet. Das zeigt, wie optimal die Isolierschicht des Gefieders ist, weil keine Wärme durchdringt, um das Eis abzutauen. Es zerfließt erst unter der goldenen Morgensonne.
"Schutzgeist der Fylgia" oder "Fuhrmann für Hänsel und Gretel"?
An ihrer erhabenen Schönheit und dem sich jährlich wiederholenden Zug mag es liegen, dass alle Schwäne den Menschen mit Sehnsucht erfüllen, die sie wünschen lässt, das seien menschliche Wesen im Schwanengewand, und nur zu gerne würden sie mit ihnen tauschen. Wenn sie unter glutrotem Himmel über Wellen und Schaumkronen in aufgewühlter See herangleiten und wassern, wird ein Kindertraum lebendig, von den verwunschenen Prinzen im Gewand der schneeweißen Wundervögel. Es gibt so viele Schwanenmärchen, die verzauberte Jungfrauen oder Prinzen besingen, dass sie ein Buch füllen können. Aber auch alle Engel im Kirchengewölbe tragen Schwanenflügel, denn der hohe Flug und das blendend weiße Gefieder verleihen ihnen die ätherische Unendlichkeit des Himmels. Schon in der griechischen Mythologie wird Leda von Zeuss in Gestalt eines Schwanes verführt. Die Griechen weihten ihn auch wegen seiner Anmut Apollo, dem Gott des Schönen, und als Zugvogel für den Wagen von Adonis und Aphrodite, taugt alleine der Höckerschwan. Englischen Mythologien liegt der kleinere Singschwan zugrunde, in Mitteleuropa der Höckerschwan. Schon in den Schöpfungsmythen spielen Schwäne eine heilige Rolle. Die Weltesche Ygdrasil bezog ihre Kraft aus einer Quelle, auf der ein Schwanenpaar trieb, und hier im Heiligtum der Götter lebten die drei Nornen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Schwan ist als heiliges Tier der Frigga geweiht. Schwanenritter und Schwanenjungfrauen sind Teil unserer eigenen Geschichte. Geheimnisvolle ferne Schwanenseen sind nicht nur ein Zauberbild der Sehnsucht, es gibt sie heute noch. Todkündender Schwanengesang ist Teil eigener Wundergläubigkeit, die uns langsam abhanden kommt. Der Höckerschwan heißt mit seinem lateinischen Namen der Stumme Schwan, aber so stumm ist er nicht. Selten hört man mehr als ein ärgerliches Schnarren oder Zischen. Aber er kann im Streit auch laut und hell trompeten wie ein Kranich.
Weltweit geliebtes Hätscheltier?
Weiße Schwäne mit königlicher Pracht und voller Majestät sind das mystische Sinnbild anmutiger und stolzer Gelassenheit, für die kaum ein edleres und schöneres Klischeebild denkbar ist, als das der majestätisch dahingleitenden Schwäne.
Im Norden und Osten, aber auch von Mecklenburg bis Ostpreußen, ist der Schwan heute noch ein scheues Wildtier. Bei uns hat er es schwer, das auch zu bleiben. Die großangelegte Faunenverfälschung in Europa geht auf den angelsächsischen König Edgar und das Jahr 966 zurück. Es muss ihn maßlos gewurmt haben, dass Schwäne in England nur als Wintergäste an der Küste aufgetaucht sind und im Frühling zu ihren Brutplätzen zurückflogen. So hatte er die königliche Idee, Handschwingen zu stutzen, und alsbald erfreute das lebendige Abbild menschlicher Prunksucht, bis heute, die englischen Gewässer. Seither gehören Themseschwäne als hohes Wild der Königin. Weltweit wurden sie edles Geschenk unter den Herrschenden, und die fanden bald bürgerliche Nachahmer. Norddeutschland weist Schwanenhaltung seit 1398 nach, und die preußische Krone besaß und pflegte die Höckerschwäne auf der Havel noch bis 1918, bis aus königlichen republikanische Schwäne wurden. Aber wie griechische Vasen aus dem Jahr 480 v.Chr. zeigen, gibt es ältere Vorbilder. Auch Brahma empfängt schon im 8.Jh. nach Chr. die Huldigung des Hamsa-Vogels, der eindeutig ein Schwan ist. Im Norden und Osten galt der Schwan traditionell als Hochwild, das nur Könige bejagen durften. Sie jagten Hochwild mit der Kugel. Als ansehnlicher Riesenbraten war der Schwan der Tafel der Könige vorbehalten. So hat sich der Schwan alsbald im königlichen Wildpark wiedergefunden, denn damals kannte man noch keine Kühlgeräte. Er blieb damit nicht nur Repräsentiervogel der Schönheit wegen, sondern wurde auch, als ständig greifbarer Braten für die Tafel, hinter Schlossmauern gehalten. Man hat ihm den wertvollen Schwanenpelz für die Damen abgezogen und ihn danach mit Kräuterbutter und Knoblauchsalz bestrichen und gegrillt. Da soll er vorzüglich geschmeckt haben.
Während am Ammersee nur 6 Schwanenpaare brüten, scheint am Starnberger See Bestand und Zahl der Wintergäste zu explodieren. Der Grund dafür liegt alleine beim Füttern. Wenn ich morgens vor Sonnenaufgang mit der Kamera angerückt bin, um Schwäne im Morgennebel aufzunehmen, war noch kein Schwan da. Aber alte freundliche Damen aus München, mit dem Futtereimer, warten schon auf ihre Schwäne. Es war zu tierfreundlich gedacht. Denn alsbald ist der Ruf nach dem Jäger laut geworden, der die "Schwanenplage" eindämmen soll, die das Werk der Tierfreunde ist. Beim Jäger aber ist Schwanenjagd höchst unbeliebt, denn sie wollen nicht gerne die Prügelkinder der Tierfreunde werden.
Gewiss ist Schwanenjagd vom 1.9.-15.1. durchaus erlaubt und eine nachhaltige Nutzung reichlich vorhandener Naturgüter wäre auch nicht verwerflich. Aber Jäger sehen die gewünschte Hinrichtung halbzahmer Tiere nicht als Jagd und nicht als ihre Aufgabe in der Natur an. Jagd ist es sicher auch nicht, und die Verwaltungsjuristen im Landwirtschafts-Ministerium haben offenbar auch keine Ahnung vom Schwan, denn sonst hätten sie hierfür längst den Schrotschuss verboten, weil er in den seltensten Fällen das Gefieder richtig durchschlägt und den Schwan nicht sofort töten kann, sondern grausam quält. Tierfreunde haben am Starnberger See noch lebende blutverschmierte Schwäne in einem Kahn ausgemacht und sind zu Recht empört. Wenn schon jemand glaubt, dass reduziert und gejagt werden soll, sollte es wenigstens nur mit der Kugel möglich sein, aber eine vom Vogelschutz geforderte Änderung der Jagdverordnung hat erst kürzlich Bayerns Agrarminister abgelehnt. Er beharrte hartherzig darauf, dass die traditionell zum Hochwild gehörenden Schwäne Niederwild sein sollen, also mit Schrot geschossen werden dürfen. Schon vor Anno 1600 hat Martin Strasser die Schwanenjagd auf der Pirsch und mit der Kugel beschrieben! Er wusste aber auch zu berichten, dass auf dem Chiemsee die Fischer Schwäne und Enten mit Leimschnüren gefangen und mit dem Ruder erschlagen haben. Auch heute sind die am Schwan interessierten Schützen meist Fischer mit Jagdschein. Für die Verwertung dieser Beute sind ihnen Grenzen gesetzt, denn eine Bundeswildschutzverordnung verbietet den Verkauf des Bratens. Der Schütze muss also seine 10-20 kg schweren Schwanenbraten selber essen, essen, und nochmals essen. Das wird ihm bald zum Hals heraushängen und an einem zähen alten Schwan mag er sich auch die Zähne ausbeißen. Wenn er gelegentlich einen Schwan erlegt, wird das der Art sicher nicht gefährlich. Verantwortungslos ist nur der Schrotschuss. Aber auch Tierfreunde verhalten sich zum Schwan zuweilen schizophren. Erst füttert und hätschelt man sie als Streicheltier, und dann vergleicht man sie mit einer Landplage gleich Wanderratten. Man lastet ihnen gar das Schilfsterben an, ohne dass sie etwas dafür können. Ausgerechnet in der tierfreundlichen Schweiz hat man eine besondere Reduzierungsart ersonnen, weil man von der heiß geliebten Fütterung nicht lassen will. Man hat den Schwänen früh morgens ein Schlafmittel ins Futter getan. Als den Schwänen übermüdet der Kopf ins Wasser sank, da sind sie jämmerlich ertrunken. Man war noch stolz darauf, weil man meinte, dass Schwäne sich ja in Revierkämpfen nur verletzen würden. Man habe es nicht übers Herz gebracht, die natürliche Regulierung Naturgott Pan und den Schwänen selbst zu überlassen. Dann doch lieber gelegentlich Jagd nach einem Braten, als das im Futterbrot eingebackene Schlafmittel!
Lassen wir also die herrlichen weißen Riesenvögel fliegen, wann und wohin sie wollen, denn fliegen und weiterfliegen in ihr Winterquartier würden sie allemal, wenn wir sie nicht mit unserem Futter verführen würden, auch im Winter hier zu bleiben. Zum Überleben im Winter brauchen sie die Menschen nicht. Denn der schneeweiße Zaubervogel ist zum Fliegen geboren, und wie alle Zugvögel würden auch die in ganz Deutschland lebenden 10.000 Paare in die Winterquartiere weiterziehen.
So kämpfen und so lieben sie
Ihre zauberhafte Schönheit und Anmut verstellt uns Menschen oft den Blick. Unser romantisches Bild von den hoheitsvollen weißen Vögeln ist von Gefühlen und Emotionen belastet und es zeigt uns die Schwäne nicht, wie sie wirklich sind. Schaut man genauer hin, dann sind am Ende des Jahres die meisten der Schwäne am Starnberger See oder an der Isar, ohne Nachwuchs geblieben. Wer kein Revier erkämpft, der hat für seine Kinder auch keine Nahrungsgrundlage, denn den Schwanenbabys hilft der Futtersack überhaupt nicht. Es bleibt nicht aus, dass ein junges Paar sich gerade dort ansiedeln will, wo ein altes Paar seit Jahren ein Revier beherrscht. Im Hochwinter ist es noch zu früh für verliebte Balz-Szenen, aber fest verpaarte Schwäne, deren Liebe ein Leben lang hält, suchen jetzt schon ein Brutrevier. Werden beide Paare an der Grenze einander ansichtig, eilt stets der Schwan voraus und die Schwänin folgt sittsam auf Distanz. Was uns der mit aufgestellten Flügeln segelnde Schwan vermittelt, wirkt auf Beobachter wie ein Bild vollkommenster Eitelkeit. Früher war man der Meinung, dass der Höckerschwan ein Narziss sei, der trunken vor der eigenen Schönheit auf sein Spiegelbild starrt, blind vor der nahenden Gefahr des Rivalen. In Wirklichkeit dient diese Haltung der Einschüchterung des Nahenden, und jeder von beiden kocht vor Wut. Die Körper ruhen tief im Wasser und sie segeln mit hoch aufgestellten Schwingen. Der Hals ist bis auf den Körper zurückgezogen und die Schnäbel stützen sich vorne auf den Hals. Sie gleiten mit raschen Schwimmstößen auf die unsichtbare Reviergrenze zu und schleudern einander den Kopf, wie stoßend, zum Beißen entgegen, um ihn gleich danach anzulegen. Wieder und wieder beginnen beide sich im Wasser zu drehen und um die eigene Achse zu kreiseln. Wieder und wieder kreiseln sie umeinander an der Grenze herum und sehen einander zornig tief in die Augen, heben den Hals, als sei der Anblick unerträglich, senken den Schnabel und bieten auch voreinander jenes herzförmige Bild wie bei der Balz. Aber mit Liebe hat dieses nichts zu tun, denn an den Schnabelhöckern und auch am rostroten Hauch am Hals, ist zu sehen, dass es zwei Männer sind. Es ist ein aggressives Balztanzspiel im Wasser, ein Drehen ohne Unterlass, mal links, mal rechts herum, ein Kriegstanz im Wasser, an Reviergrenzen. Er genügt meist, um einen Ernst- und Beschädigungskampf zu verhindern, ein ritualisiertes Duell, das sich auflöst, wenn beide sich von den Grenzen entfernen.
Im Ernstfall beginnt der Kampf stumm und plötzlich. Hoch aufgerichtet, heftig das Wasser tretend und mit mächtigen Schwingenschlägen auf den Gegner zielend, kämpfen sie auf Leben und Tod. Beide heben sich wuchtig mit den Schwingen schlagend aus dem Wasser, versuchen sich mit den Hälsen niederzudrücken, in einem unter Schwingenschlägen sprühenden Funkenregen aus Wassertropfen, den Gegner mit dem Schnabel zu packen und zu ertränken. Ein Flügelschlag kann den Arm des Menschen brechen, hier aber setzt es hunderte harter Schläge. Zäh und verbissen dabei ringend, mit zuckenden Hälsen drückend, schnappend, packend und beißend, reißen sie aneinander erbarmungslos mit den Schnäbeln. Kopf an Kopf und Schnabel an Schnabel drückt der Platzschwan mit dem Hals, klettert auf den Unterliegenden, versenkt ihn vollends unter Wasser, packt mit Kopf und Schnabel nach und drückt, bis auch er fast im Wasser verschwindet. Aber auch er muss wieder nach oben und beide schnippen wie Korke hinauf. Die Gelegenheit nutzt der Jungschwan und eilt auf dem Wasser rennend und mit den Flügeln schlagend, abfliegend davon, eine Weile auch in der Luft noch verfolgt vom Sieger. Beider Schwingen fauchen und prasseln in das aufspritzende Wasser, der Sieger aber kehrt in weitem Bogen fliegend zurück zu seiner Partnerin. Um das im Kampf lädierte Gefieder zu richten, schließt sich eine ausgedehnte Putzzeremonie an.
Das ritualisierte Balz-Kampf-Spiel hilft Ernstkämpfe vermeiden und die Grenzen zwischen zwei Revieren auch am großen See abstecken. Auf einem viel kleineren Schwanensee, der nur Platz für ein Revier hat, haben aggressive Altschwäne schon reihenweise Jungschwäne umgebracht. Böse alte Revierschwäne regulieren damit auf natürliche Weise den Bestand, auch ohne die Flinte des Menschen. Er bewacht und verteidigt sein brütendes Weibchen gegen jeden anderen Wasservogel und selbst gehen die Hand, die ihn sonst füttert. Zahme und halbzahme Schwäne können auch dem Menschen gefährlich werden. Wild gebliebene achten dagegen immer auf Distanz. Revierschwäne attackieren selbst einen harmlosen Karpfen, der sich dem Nestbereich arglos nähert, und vertreiben ihn, dass er rasch abtaucht. Aber entgegen dick aufgetragenem Fischerlatein fressen sie ihn niemals. Kein Fall ist belegt, dass ein Schwan sich am Fisch und seiner Brut vergreift, denn er ist reiner Vegetarier, der bevorzugt Unterwasserpflanzen abweidet und damit mineralisiert. Damit nutzt er jedem Gewässer, weil sich kein Faulschlamm mehr bilden kann. So tief sein Hals noch reicht, 1-1,25 m weidet er die, im überdüngten Wasser der durchsonnten Zone überreichlich gedeihenden Unterwasserpflanzen ab und verdaut sie gut. Aber ihre begrenzte Menge setzt für eine Schwanenfamilie, die satt werden will, immer ein Revier voraus. Das Bild vom brutal um sein Revier kämpfenden Schwan mag für manchen ein romantisches Bild vom hoheitsvollen Märchenvogel zerstören, aber so sind die Schwäne wirklich. Ihr Kampf um ein Revier ist typisch ein Teil ihres Wesens.
Dass Schwan und Schwänin sich ein Leben lang treu zugetan sind, macht sie wiederum so menschlich. Bevor der Schwan seine Schwänin tritt, bieten beide im Spätwinter ein bezauberndes Bild herzlicher Zweisamkeit, wenn sie die Köpfe zueinander neigen und zusammen mit den Hälsen ein Herzbild formen. Wo es im Vorfrühling von Jungschwänen wimmelt, wie an Isar und unserem See, zeigen auch sie schon das rührende Bild dieser herzlichen Zuneigung. Bei der Mehrzahl bleibt es Illusion, denn sie haben kein Revier, und so werden sie ohne Nachwuchs bleiben. Viele ziehen wieder fort, in ihre eigenen Brutgewässer bis ins ferne Russland.
Die Kinder kommen
Ein Revierschwan beginnt Mitte Februar sein altes Nest zu reparieren. Irgendwann liegen 5 - 8 Eier darin, aus denen Küken nach etwa 35 Tagen schlüpfen. Sehr ernst gemeint ist die Warnung an alle, die glauben, hier mit der Regulierung eingreifen zu können. Früher zuweilen praktizierte Regulierungsmethoden sind Wilderei, und selbst dem Jäger nicht mehr erlaubt. Es ist auch lebensgefährlich, sich den brütenden Schwänen zu nähern, denn schon mancher "Regulierer" ist dabei vom wachsamen Altschwan mit den Flügeln verprügelt und ernsthaft verletzt worden.
In Vogelbüchern heißt es, dass nur die Schwänin brütet.
Das ist falsch, denn wir haben die Brutablösung in allen Phasen fotografiert. Der Vater brütet hartnäckig. Doch wenn in rascher Folge die Schalen springen, ist das Mamasache. Sobald die Küken trocken sind, werden sie unter der Obhut beider Eltern einen ersten Ausflug machen, doch zum Schlafen immer wieder in das Nest zurückkehren. Es ist stets ein rührendes Bild, wenn die Kinderschar der Mutter folgt und der Vater drohend hinterdrein rudert. Oft ruhen sie wie eine Matrosenschar geborgen auf dem Rücken der Mutter aus. Doch alle Sorgfalt nutzt nicht viel. Die Jungen werden immer weniger. Eines packt ein alter Hecht, ein anderes Rohrweihe, Marder oder Fuchs. Schon jetzt wird deutlich, dass bei dem so wehrhaften Schwan die Jugendsterblichkeit sehr groß ist. Wenn Sie nach 4 1/2 Monaten ihr graues Jugendgefieder anlegen und schon flugfähig sind, wechseln gleichzeitig die Altschwäne noch vor der langen Reise komplett ihr Großgefieder. Die Kinder werden 3-4 Jahre brauchen, bis sie so schmuck wie die Eltern sind und sich ein Brutrevier suchen können. Viele von ihnen erleben es nicht, weil der Winter Auslese hält. Nur die Stärksten dürfen überleben. Jungschwäne haben kürzere Hälse als Altschwäne, und können noch nicht so tief die Unterwasserpflanzen erschließen. Sie müssten wegziehen, aber wenn ihnen der Mensch die Existenzsorgen mit seiner Fütterung abnimmt, bleiben sie hier und überleben alle. So gibt es eigentlich keinen Problemvogel Schwan, sondern nur ein Schwanenproblem durch Menschen, die der Natur ins Handwerk pfuschen. Von den 250 Paaren auf dem Schwanensee in Guja/Ostpreußen, erfroren im Katastrophenwinter 1928/29 fast alle Schwäne, nur 3 Paare überlebten. Es brauchte 30 Jahre, um alle Reviere wieder aufzufüllen. In Holstein erlosch der Bestand total und brauchte 40 Jahre, ehe er wieder auf 600 Paare angewachsen ist. Zum Kreislauf des Lebens, das sich immer wieder erneuert, gehört beim Schwan die Auslese durch Fressfeinde, Not und Tod durch den Winter.
Viele Grüße von
Brit
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Antoine de Saint-Exupéry
Brit
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Antoine de Saint-Exupéry