Schweden

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    • Diesen Artikel hatte ich wohl schon am 16.06.2010 in Hartmuths Forum gepostet, aber nachdem es hier um das Wiederansiedlungsprogramm in Schweden geht, verjährt das ja nicht!?

      Barbara hatte diesen Artikel im FF gepostet und als ich genug nach Luft geschnappt hatte, dachte ich, daß man sowas auch in unser deutsches Forum stellen sollte, auch wenn es wirklich nicht so leicht zu lesen und auch zu verstehen ist (und zu übersetzen auch nicht...). Aber es ist wichtig zu erfahren, was da abgeht,- meine ich.

      Das schwedische Weißstorch Wiederansiedlungs-Programm

      "Das Ziel dieses Programmes ist es den Weißstorch als natürlichen Teil der schwedischen Fauna wieder anzusiedeln. Wir erwägen dieses Ziel als erreicht, wenn die Besiedelung bei 100 ziehenden frei brütenden Paaren liegt.

      Hintergrund

      Der Weißstorch war einst ein im südlichsten Teil Schwedens (v.a. in Schonen) häufig vorkommender Vogel. Während des 18. Und frühen 19. Jahrhunderts könnten bis zu 5000 Paaren gebrütet haben. Der Verlust dieser Art begann Mitte des 19. Jahrhunderts, zusammen mit dem Beginn der dramatischen Veränderung der Agrarlandschaft. 1917 war der Bestand auf 34 Brutpaare gesunken. In der Zeit von 1927 – 1941 schwankte der Bestand zwischen 8 und 13 Brutpaaren. Schließlich wurde 1954 der letzte, allerdings erfolglose, Brutversuch unternommen. Zwischen 1955 und 1988 wurden jährlich Störche beobachtet, aber es wurden keine Brutversuche unternommen.

      Die tiefgreifenden Veränderungen in der Agrarlandschaft waren wahrscheinlich die treibende Kraft für die Bestandsabnehme. Als die Feuchtgebiete trockengelegt und bebaut, die Flüsse begradigt wurden und Wiesen und Auen in Wälder und Ackerland verändert wurden, verloren die Störche einen großen Teil ihres Lebensraumes auf den sie angewiesen sind. Heute gibt es nur noch 5-10% der Feuchtgebiete in Schonen und diese Veränderung hat dramatische Folgen nicht nur für den Storch, sondern auch für viele andere Arten, die auf Feuchtgebiete angewiesen sind. Während der letzten Jahrzehnte wurden jedoch Anstrengungen zur Wiederherstellung von Feuchtgebieten intensiviert. Zusätzlich zum Gewinn der Artenvielfalt begrenzen die Feuchtgebiete den Abfluss von Nährstoffen aus den Feldern. Die Möglichkeiten zur Wiederherstellung der „Landschaft für den Storch“ und damit den Storch zurückzubringen ist eine bedeutsame Antriebskraft in vielen laufenden Wiederherstellungsprojekten.

      Das Wiederansiedlung Programm

      1989 begann ein Wiederansiedlungs-Programm in Gemeinschaftsarbeit der Schwedischen Gesellschaft für Naturschutz (SSNC) in Schonen und der Ornithologischen Gesellschaft in Schonen (SkOF) in derselben Region. Eine Voliere wurde in dem Gebiet gebaut, wo die Art sich am längsten aufgehalten hatte und das erst Paar wurde freigelassen. Seitdem wurden jährlich Paare freigelassen und weitere sechs Volieren gebaut. 2009 erreichten die Brutbestände 37 Paare und 19 Junge wurden flügge. Die Mehrzahl dieser Vögel wurde aus der Gefangenschaft entlassen, allerdings sind während des 20 Jahre andauernden Programms, ungefähr 15 Wildstörche zugewandert und haben mit den „Projektstörchen“ gebrütet. Das zeigt die Natur der Störche – sie sind soziale Tiere, die normalerweise in Kolonien brüten. Deshalb hängen die Möglichkeiten Störche in gewünschten Gebieten anzusiedeln an der Errichtung von Volieren wo gefangene Vögel als „Köder“ gehalten werden. Entlassene Paare werden dann wahrscheinlich in der näheren Umgebung zu brüten anfangen. Die Voraussetzung zum Bau einer Voliere ist, dass die Örtlichkeit umgeben ist von ausreichendem Lebensraum für den Storch. Wir glauben, dass die größten Chancen für eine erfolgreiche Wiederansiedlung dort ist, wo die Störche früher gebrütet haben. Diese langfristige Arbeit Störche über ganz Schonen wieder anzusiedeln hat dazu geführt, dass sich an ungefähr 10 Orten freie Brutpaare angesiedelt haben. Abgesehen vom lokalen Bestand in Verbindung mit den Volieren haben Paare an etwa 5 Plätzen spontan Nester gebaut und gebrütet. Die negative Folge von Koloniebrütern ist, dass es an manchen Orten zu ziemlich hoher Dichte von Störchen kommen kann. Kürzlich haben wir so eine „Dichte-Wirkung“ mit reduziertem Bruterfolg wegen der örtlichen Dichte in einer der größten Kolonien beobachtet. Das passiert in der Natur und wirkt als stabilisierende Kraft um die Anzahl des Bestandes zu begrenzen.

      Wir haben (Herbst 2009) 172 Störche in Gefangenschaft, aufgeteilt in fünf Volieren, in Schonen verteilt. Dazu, arbeiten wir mit zwei Zoos im Süden von Schweden zusammen. Noch nicht geschlechtsreife Störche werden separat in einer großen Voliere gehalten und wenn sie geschlechtsreif werden (im Alter von 2 bis 5 Jahren – normalerweise 3 oder 4) werden sie zur“ Partnervermittlung“ gebracht um Paare zu formen. Vor dem Beginn der Brutsaison wird die Gruppe getrennt, damit nicht Verwandte ein Paar bilden. Wenn ein Paar wenigstens einmal erfolgreich gebrütet hat sind sie qualifiziert für die Freilassung. Sie werden dann in eine passende Voliere verlagert und im kommenden Frühjahr in die Freiheit entlassen. In den letzten Jahren wurde die Brut von freibrütenden Paaren eingesammelt und in Gefangenschaft gebracht. Das wurde gemacht um den Erfolg des Brutprogrammes zu erhöhen. In manchen Jahren jedoch, wenn eine große Anzahl von Bruten flügge wurden, wurde es den Jungen „erlaubt“ zu ziehen. In machen Jahren war das so, in anderen nicht. Wenn nicht, dann wurden nicht ziehende Jungstörche gefangen und in Gefangenschaft gebracht.

      Der genetische Ursprung der Störche

      Das offizielle schwedische Wiederansiedlungsprogramm fing mit einer Gruppe von Störchen, die 1979 aus der Schweiz importiert wurden, an. Es stellte sich heraus, dass das Schweizer Projekt ihre Störche in den 1950iger Jahren aus Algerien importiert hatten. Deshalb sind die Störche des Schwedischen Wiedereinführungsprogramms meist von Algerischen Ursprung. Jedoch es gab mehr als 10 spontan zugewanderten „Gründervögel“ nachdem das Wiederansiedlungs-Programm gestartet hatte, und diese Vögel gelten als Einwohner von Nord Europa. Diese Vögel haben meist mit Projektstörchen gebrütet und eine ganze Anzahl an Nachkommen hinterlassen. Während der Zeit von 1989 bis 2005 war ein Drittel der Brutaktivitäten durch Paare, bei denen wenigstens ein Partner von einheimischer Abstammung war. In Wiederansiedlungsprogrammen ist es erstrebenswert Störche zu nehmen die genetisch nahe dem ausgestorbenen Bestand sind. Daher, weil Dänemark, unser nächster Nachbar, seit 2008 kein Brutpaar mehr hat, haben wir uns nach Polen gewandt. 2004 importierten wir 40 Störche und 2009 18 Störche.
      Weiterhin zeigt eine Studie, dass der Fortpflanzungserfolg bei Störchen in Schonen fast zweimal so hoch für Störche mit heimischem Ursprung ist als mit Algerischem Ursprung. Abhängig (???) von dem geringeren Fortpflanzungserfolg der Algerischen Störche und von der Tatsache, dass sie eine unerwünschte geographische Abstammung haben, wurde die Entscheidung getroffen ihre Fortpflanzung nicht weiter fortzuführen. Jedoch werden die frei brütenden Paare reinen (oder meist) Algerischen Ursprungs als Pateneltern für Eier und Küken der importierten polnischen Störche benutzt. Wir haben diese Arbeit in kleinem Umfang 2006 begonnen und 2009 wurden die Eier von 10 algerischen Paaren in polnische umgetauscht.

      In der Praxis lassen wir beide, die freien algerischen und die gefangenen polnischen Störche ihre Gelege komplett legen. Dann suchen wir die Paare aus mit ungefähr gleicher Brutzeit des Geleges und nehmen die Eier des polnischen Paares weg und legen sie in das Nest des Algerischen Paares. Die Eier des algerischen Paares werden vernichtet. In den meisten Fällen legen die polnischen Paare nach ungefähr zwei Wochen ein Nachgelege, das sie behalten dürfen und selbst aufziehen. Die algerischen Paare erhalten jeder zwischen 2-4 Eier. Obwohl Störche bis zu 6 Eiern legen können sind sie selten in der Lage mehr als 2-3 Junge groß zu ziehen. Um den Überblick über die Abstammung im Bestand zu behalten legen wir nur Eier von einem polnischen Paar in jedes Nest.

      Das Ergebnis dieser Manipulation ist verschieden und mit nur wenigen Jahren an Erfahrung ist es schwierig generelle Schlüsse zu ziehen. Jedoch, unter dem Aspekt von verhältnismäßigem Bruterfolg, erscheinen die Pflegeeltern fast so gute Eltern zu sein wie die nicht manipulierten Paare, und aus dieser Sicht, trotz ihres ungeeigneten genetischen Ursprungs, tragen die algerischen Paare zum Erfolg des Wiederansiedlungsprogramm bei.

      Vogelzug

      Der Weißstorch ist ein Langstrecken ziehender Vogel, überwinternd im subsaharischen Afrika. Der europäische Bestand ist geteilt in einen östlichen und westlichen Bestand, auf verschiedenen Routen ziehend. Man denkt, dass der frühere schwedische Bestand entlang der Ostroute zog, zusammen mit e.g., dänischen, polnischen und Ost-Europäischen Störchen. Trotzdem ist das Zugverhalten flexibel und beruht auf beidem, einer genetischen und einer sozialen Interaktion.

      Die Störche die in dem Brutprogramm freigelassen werden sind keine ziehenden und überwintern in der Nähe der Brutplätze. Das ist hauptsächlich das Ergebnis der „Manipulation“ der Störche (in Gefangenschaft gehalten und von Menschen gefüttert). Jedoch können die Jungen, die in Freiheit geboren wurden wenn die Bedingungen günstig sind, ziehen. Dies ist in der 20-jährigen Geschichte dieses Projektes nur einige Male vorgekommen. Eine Studie hat herausgefunden, dass die algerischen Störche weniger wahrscheinlich ziehen als die Vögel mit heimischem Ursprung. Bei Störchen mit etwas heimischen Hintergrund war die Wahrscheinlichkeit zu ziehen viermal so groß als bei Vögeln mit purem algerischen Hintergrund. Andere Studien (nicht die schwedischen Störche betreffend) konzentrierten sich auf die Wichtigkeit der sozialen Interaktionen den Vogelzug betreffend. Sie fanden heraus, dass Jungvögel in die gleiche Richtung ziehen wie die Störche die sie unterwegs treffen. Nachdem die Störche in Gruppen ziehen werden einige Störche den Zug anführen. Diese Vögel können Besucher sein, die den Sommer in Nord Schweden verbracht haben und über Schonen nach Süden ziehen. Es können auch Junge sein, die in Schonen geboren sind mit einem starken Drang haben zu ziehen. Wenn Wildstörche während der Zeit des Vogelzugs in Schonen sind (August-September) erhöht sich die Chance eines erfolgreichen Zuges. Eine große Anzahl von Jungvögeln wird wahrscheinlich die gleiche Wirkung haben. Vogelzug kam schon in den 1990-iger Jahren vor, als Gruppen von reinen algerischen Störchen zusammen mit Wildstorchbesuchern nach Süden flogen und den Zugtrieb bei den jungen Störchen auslösten. Danach gab es Jahre wo kein Vogelzug stattfand und die Jungen in Schonen blieben. 2007 zogen wenigstens 9 von 40 Jungen und 2008 war es mindestens 8 von 21. Nachdem einige Störche unbeobachtet ziehen, kann die wirkliche Anzahl größer sein. Interessant ist jedoch, dass die Störche beide Zugrouten (i.e. die westliche via Gibraltar und die östliche via Bosporus) nehmen, wie zwei Berichte aus Spanien und der Türkei zeigen. Auch, die Jungen von denselben Paaren sind in beide Richtungen gezogen nach Süd-West und Süd-Ost. Um mehr über das Zugverhalten der schwedischen Störche zu erfahren, planen wir einige der Jungvögel mit Satellitensendern auszustatten, die uns dann erlauben werden ihrer Route zu folgen.

      Organisation und Finanzen

      Das Projekt wird mit den zwei Gründungsgesellschaften, der Schwedischen Naturschutz-Gesellschaft (SSNC) in Schonen und der Ornithologischen Gesellschaft von Schonen (SkOF) als Leiter betrieben. Sie haben eine Leitungsgruppe aus drei Mitgliedern jeder Gesellschaft. Ein Projektleiter ist verantwortlich für die Arbeiten. Daneben sind ca. 10 Mitarbeiter die ihren Beitrag auf ehrenamtlicher Basis leisten und sich um die Volieren kümmern.

      Hauptunterstützer des Projektes sind die Region Skåne (die Kreisverwaltung von Schonen), das schwedische Umweltschutzbüro und der World Wildlife Fund (WWF). Andere Unterstützer sind das SSNC in Schonen, SkOF, Alvin’s Fonds und eine Gruppe sogenannter Paten. Der Tierschutz Fond von Lund hat für den Erwerb und den Betrieb der zwei GPS-Sender beigetragen.
      Viele Grüße von
      Brit

      „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

      Antoine de Saint-Exupéry