Welt online 9. März 2008, 04:00 Uhr
Von Stefan Felbinger
Bayern - zu schön, um wegzufliegen
Der Klimawandel und die Vogelwelt: Störche kehren schon im Februar zurück, viele Arten wie der Hausrotschwanz ziehen gar nicht mehr in den Süden. Dafür entdecken Vögel aus dem Mittelmeerraum wie der Bienenfresser den Freistaat als neues Brutgebiet. Nur auf das Schneehuhn kommen schwere Zeiten zu
Polizeiberichte verkünden selten frohe Botschaften. Anfang Februar aber war es wieder einmal so weit. "Kuno und Kunigunde sind wieder da", teilte die Polizeidirektion Straubing erfreut mit. Die beiden sind kein Ganovenpärchen, sondern das Storchenpaar, das seit Jahren auf dem Weyther-Turm nistet, der zum Komplex der Polizeidirektion in Niederbayern gehört.
Die Straubinger Störche waren die ersten, die den Weg zurück nach Bayern gefunden hatten. Mittlerweile klappert es in ganz Bayern wieder - und das, obwohl der Winter kalendarisch erst in knapp zwei Wochen endet.
Die Störche sind keine Ausnahme, auch die kleinere Nachhut zwitschert bereits wieder munter durch Wälder, in Gärten und auf Feldern. Viele von ihnen zwei, drei Wochen zu früh. Doch Ornithologen beobachten bereits seit einigen Jahren, dass immer mehr Zugvögel immer früher aus ihren südlichen Winterquartieren zurückkehren.
"Ich habe schon die erste Singdrossel gehört", sagt Andreas von Lindeiner, Artenschutzreferent beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein. Auch die Drossel ist, wie knapp die Hälfte der rund 240 bayerischen Brutvogelarten, ein Zugvogel. Rotkehlchen, Rotmilan, Feldlerche oder Mönchsgrasmücke - sie alle wurden in Bayern schon gesichtet.
Die frühe Rückkehr der Sänger führt von Lindeiner auf den erneut milden Winter zurück. Zwar habe es immer schon "Ausreißer" gegeben, die früher als ihre Artgenossen zurück waren. Trotzdem stellen sich ganze Arten wegen des Klimawandels langsam um. "Langzeitstudien haben ergeben, dass zum Beispiel die Heidelerche heute im Schnitt eine Woche früher zurückkommt und eine Woche länger bei uns bleibt als noch vor 20 Jahren", sagt von Lindeiner. Doch auch der Frühling beginnt schließlich heute zwischen zwei und sieben Tagen eher als damals, die Klimazonen verschoben sich bereits um rund 100 Kilometer nach Norden.
Kälteeinbrüche wie in den vergangenen Tagen schaden den Tieren nicht. "Wenn es zu kalt wird, ziehen sie einfach wieder ein Stück Richtung Süden", sagt der Vogelexperte. Wobei es weniger die Kälte ist, die die Vögel vertreibt, als vielmehr das Nahrungsangebot an Insekten, das bei Minustemperaturen schlagartig zurückgeht.
Der Klimawandel hat jedoch nicht nur dazu geführt, dass die Zugvögel früher nach Bayern zurückkommen. Viele Arten fliegen gar nicht mehr so weit wie noch vor wenigen Jahren. Störche zum Beispiel überwintern eigentlich in Afrika, südlich der Sahara. "Seit einigen Jahren gibt es aber eine große Population, die nur noch bis Spanien fliegt", sagt Andreas von Lindeiner. Ein plötzlicher Frühlingseinbruch wie vor zwei Wochen - und schon sind sie über die Alpen.
Andere Zugvogelarten ziehen gar nicht mehr weg, bestätigte eine Studie, die der LBV gerade durchgeführt hat. 3000 Freiwillige zählten und bestimmten am 6. Januar alle Vögel im Großraum München. Das Ergebnis: "Unter anderem 20 Hausrotschwänze - die sollten Anfang Januar eigentlich im Süden sein", sagt der Biologe Heinz Sedlmeier vom LBV in München.
In Großbritannien haben Forscher sogar festgestellt, dass Vögel ihr Zugverhalten ganz verlernen können. "Britische Mönchgrasmücken sind heute genetisch gar nicht mehr in der Lage, im Winter wegzuziehen. Wenn es zu kalt wird, weichen sie nach Norden statt in den Süden aus", sagt Sedlmeier.
Großstädte wie München sind für viele Vögel willkommene Inseln. "In der Stadt ist es noch mal milder als im Umland", sagt Sedlmeier. Die Durchschnittstemperatur liegt zwei Grad höher als im Landkreis. "Wir haben hier Bedingungen, wie sie für ganz Bayern in 50 Jahren prognostiziert sind."
Nordische Arten wie der Seidenschwanz oder die Bartmeise, die in Skandinavien beheimatet sind, wissen das zu schätzen. Sie überwintern in Bayern. Bis zu 200 Vogelarten haben Biologen in der kalten Jahreszeit im Stadtgebiet gezählt. "Obwohl nur 116 Arten hier brüten", sagt Sedlmeier.
Die steigenden Temperaturen verändern jedoch die gesamte Vogelfauna. "Wir beobachten seit Langem den Trend, dass sich Mittelmeerarten bei uns ausbreiten", sagt Vogelexperte Andreas von Lindeiner. Der Orpheusspötter zum Beispiel brütet seit einigen Jahren regelmäßig am klimatisch ohnehin begünstigten Bodensee.
Auch der farbenfrohe Bienenfresser und die Zwergohreule zogen im vergangenen Jahr im Süden Bayerns erfolgreich Junge auf. Für beide Wärme liebenden Arten war Bayern schon immer der nördlichste Rand ihres Brutgebietes, beide galten seit Jahrzehnten im Freistaat als verschollen.
Dass sie nun wieder zurück sind, führt Lindeiner ebenfalls auf die steigenden Temperaturen zurück. Die beeinflussen das Nahrungsangebot und damit die erfolgreiche Aufzucht von Nachkommen. Weshalb auch der Wiedehopf wieder öfter gesichtet wird, vor allem im fränkischen Becken.
Wo es Gewinner gibt, sind aber auch Verlierer nicht weit. Einige in Bayern vorkommende Vogelarten werden dem Klimawandel wahrscheinlich zumindest im Freistaat zum Opfer fallen. Sie brauchen kühle Temperaturen. Zu ihnen zählt Artenschutzreferent von Lindeiner zum Beispiel die Hochgebirgsvögel. "Schneehuhn oder Schneesperling haben es mit steigenden Temperaturen und höherer Schneegrenze schwer", sagt er.
Auch der Tannenhäher, in den Hochlagen der Alpen und Mittelgebirge beheimatet, wird weiter nach Norden ausweichen müssen. Wie Tanne und Fichte, von deren Samen er sich ernährt.
Quelle: tinyurl.com/3ydrvc
Von Stefan Felbinger
Bayern - zu schön, um wegzufliegen
Der Klimawandel und die Vogelwelt: Störche kehren schon im Februar zurück, viele Arten wie der Hausrotschwanz ziehen gar nicht mehr in den Süden. Dafür entdecken Vögel aus dem Mittelmeerraum wie der Bienenfresser den Freistaat als neues Brutgebiet. Nur auf das Schneehuhn kommen schwere Zeiten zu
Polizeiberichte verkünden selten frohe Botschaften. Anfang Februar aber war es wieder einmal so weit. "Kuno und Kunigunde sind wieder da", teilte die Polizeidirektion Straubing erfreut mit. Die beiden sind kein Ganovenpärchen, sondern das Storchenpaar, das seit Jahren auf dem Weyther-Turm nistet, der zum Komplex der Polizeidirektion in Niederbayern gehört.
Die Straubinger Störche waren die ersten, die den Weg zurück nach Bayern gefunden hatten. Mittlerweile klappert es in ganz Bayern wieder - und das, obwohl der Winter kalendarisch erst in knapp zwei Wochen endet.
Die Störche sind keine Ausnahme, auch die kleinere Nachhut zwitschert bereits wieder munter durch Wälder, in Gärten und auf Feldern. Viele von ihnen zwei, drei Wochen zu früh. Doch Ornithologen beobachten bereits seit einigen Jahren, dass immer mehr Zugvögel immer früher aus ihren südlichen Winterquartieren zurückkehren.
"Ich habe schon die erste Singdrossel gehört", sagt Andreas von Lindeiner, Artenschutzreferent beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein. Auch die Drossel ist, wie knapp die Hälfte der rund 240 bayerischen Brutvogelarten, ein Zugvogel. Rotkehlchen, Rotmilan, Feldlerche oder Mönchsgrasmücke - sie alle wurden in Bayern schon gesichtet.
Die frühe Rückkehr der Sänger führt von Lindeiner auf den erneut milden Winter zurück. Zwar habe es immer schon "Ausreißer" gegeben, die früher als ihre Artgenossen zurück waren. Trotzdem stellen sich ganze Arten wegen des Klimawandels langsam um. "Langzeitstudien haben ergeben, dass zum Beispiel die Heidelerche heute im Schnitt eine Woche früher zurückkommt und eine Woche länger bei uns bleibt als noch vor 20 Jahren", sagt von Lindeiner. Doch auch der Frühling beginnt schließlich heute zwischen zwei und sieben Tagen eher als damals, die Klimazonen verschoben sich bereits um rund 100 Kilometer nach Norden.
Kälteeinbrüche wie in den vergangenen Tagen schaden den Tieren nicht. "Wenn es zu kalt wird, ziehen sie einfach wieder ein Stück Richtung Süden", sagt der Vogelexperte. Wobei es weniger die Kälte ist, die die Vögel vertreibt, als vielmehr das Nahrungsangebot an Insekten, das bei Minustemperaturen schlagartig zurückgeht.
Der Klimawandel hat jedoch nicht nur dazu geführt, dass die Zugvögel früher nach Bayern zurückkommen. Viele Arten fliegen gar nicht mehr so weit wie noch vor wenigen Jahren. Störche zum Beispiel überwintern eigentlich in Afrika, südlich der Sahara. "Seit einigen Jahren gibt es aber eine große Population, die nur noch bis Spanien fliegt", sagt Andreas von Lindeiner. Ein plötzlicher Frühlingseinbruch wie vor zwei Wochen - und schon sind sie über die Alpen.
Andere Zugvogelarten ziehen gar nicht mehr weg, bestätigte eine Studie, die der LBV gerade durchgeführt hat. 3000 Freiwillige zählten und bestimmten am 6. Januar alle Vögel im Großraum München. Das Ergebnis: "Unter anderem 20 Hausrotschwänze - die sollten Anfang Januar eigentlich im Süden sein", sagt der Biologe Heinz Sedlmeier vom LBV in München.
In Großbritannien haben Forscher sogar festgestellt, dass Vögel ihr Zugverhalten ganz verlernen können. "Britische Mönchgrasmücken sind heute genetisch gar nicht mehr in der Lage, im Winter wegzuziehen. Wenn es zu kalt wird, weichen sie nach Norden statt in den Süden aus", sagt Sedlmeier.
Großstädte wie München sind für viele Vögel willkommene Inseln. "In der Stadt ist es noch mal milder als im Umland", sagt Sedlmeier. Die Durchschnittstemperatur liegt zwei Grad höher als im Landkreis. "Wir haben hier Bedingungen, wie sie für ganz Bayern in 50 Jahren prognostiziert sind."
Nordische Arten wie der Seidenschwanz oder die Bartmeise, die in Skandinavien beheimatet sind, wissen das zu schätzen. Sie überwintern in Bayern. Bis zu 200 Vogelarten haben Biologen in der kalten Jahreszeit im Stadtgebiet gezählt. "Obwohl nur 116 Arten hier brüten", sagt Sedlmeier.
Die steigenden Temperaturen verändern jedoch die gesamte Vogelfauna. "Wir beobachten seit Langem den Trend, dass sich Mittelmeerarten bei uns ausbreiten", sagt Vogelexperte Andreas von Lindeiner. Der Orpheusspötter zum Beispiel brütet seit einigen Jahren regelmäßig am klimatisch ohnehin begünstigten Bodensee.
Auch der farbenfrohe Bienenfresser und die Zwergohreule zogen im vergangenen Jahr im Süden Bayerns erfolgreich Junge auf. Für beide Wärme liebenden Arten war Bayern schon immer der nördlichste Rand ihres Brutgebietes, beide galten seit Jahrzehnten im Freistaat als verschollen.
Dass sie nun wieder zurück sind, führt Lindeiner ebenfalls auf die steigenden Temperaturen zurück. Die beeinflussen das Nahrungsangebot und damit die erfolgreiche Aufzucht von Nachkommen. Weshalb auch der Wiedehopf wieder öfter gesichtet wird, vor allem im fränkischen Becken.
Wo es Gewinner gibt, sind aber auch Verlierer nicht weit. Einige in Bayern vorkommende Vogelarten werden dem Klimawandel wahrscheinlich zumindest im Freistaat zum Opfer fallen. Sie brauchen kühle Temperaturen. Zu ihnen zählt Artenschutzreferent von Lindeiner zum Beispiel die Hochgebirgsvögel. "Schneehuhn oder Schneesperling haben es mit steigenden Temperaturen und höherer Schneegrenze schwer", sagt er.
Auch der Tannenhäher, in den Hochlagen der Alpen und Mittelgebirge beheimatet, wird weiter nach Norden ausweichen müssen. Wie Tanne und Fichte, von deren Samen er sich ernährt.
Quelle: tinyurl.com/3ydrvc