Die Vereinten Nationen erklären fast das ganze Wattenmeer zum Weltnaturerbe
Wer je mit Freunden aus dem Binnenland die Nordsee besuchte, um denen "mal das Meer zu zeigen", kennt die Gefahr tiefster Enttäuschung. Denn oft ist das Meer nicht da. Stattdessen breitet sich bis zum Horizont eine schlammige Fläche von den Dimensionen einer Wüste aus. Wo Segelboote auf sanften Wellen tanzen sollten, winden sich eigenartige Würmer durchs Watt. Das Watt ist, was man sieht, wenn das Meer gerade Ebbe hat. Daher heißen die Würmer Wattwürmer und das Meer Wattenmeer.
Seit Freitag kennt es die ganze Welt, denn die Unesco hat das niederländische Wattenmeer-Schutzgebiet sowie die schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Nationalparks Wattenmeer zum Weltnaturerbe erklärt. Weltnaturerbe und Weltkulturerbe unterscheiden sich dadurch, dass das Kulturerbe vom Menschen geschaffen und - siehe das dank Elbbrücke nun Ex-Erbe Dresden - auch von diesem zerstört werden kann. Das Naturerbe dagegen kann zwar vom Menschen zerstört werden - geschaffen hat er es aber ganz gewiss nicht.
Seit 1978 kooperieren die Wattenmeer-Anrainer Niederlande, Dänemark und Deutschland bei Erforschung und Schutz des gigantischen Feuchtgebiets, der weltgrößten zusammenhängenden Wattfläche von 13 000 Quadratkilometern. Wobei sie mal besser und mal schlechter zusammenarbeiteten: Das matschige Revier ist nämlich auch wirtschaftlich interessant, dort wird Fischfang betrieben, Wind erzeugt, nach Bodenschätzen gebohrt. Das Watt wird von Touristen erwandert, und tief drinnen im Schlick laufen Kabel bis in andere Kontinente. Die drei anliegenden Länder und einzelne Regionen bewerteten den Schutzbedarf des Wattenmeers durchaus unterschiedlich, auch wenn 1991 erstmals der Beschluss fiel, sich um den Welterbestatus zu bewerben.
Auch jetzt ist das Watt gespalten. Die Dänen haben ihren Streifen nicht als weltvererbungswürdig angemeldet, weil sie zunächst einen Nationalpark dort schaffen wollen. Und die 137 Quadratkilometer Hamburgisches Wattenmeer gehören ebenfalls nicht zum Weltnaturerbe. Der Senat der Hansestadt hatte Bedenken, die Elbvertiefung könnte behindert werden. Hamburg gratulierte aber am Freitag durch Umweltsenatorin Anja Hajduk "den Nachbar-Nationalparks" zum neuen Status, der "die großen Leistungen zum Schutz der einmaligen Naturlandschaft belohnt". Das Hamburger Stück Wattkuchen soll nun bei den Vereinten Nationen nachgemeldet werden.
Weltnaturerbe wird man nicht so leicht. Deutschland hatte bisher nur die Fossilienlagerstätte Grube Messel bei Darmstadt. Dafür gibt es 31 Stätten mit Kulturerbe-Status. Weltweit ist das Wattenmeer nun eines von 174 Naturerben, neben dem Grand Canyon etwa, dem australischen Great Barrier Reef oder den Dolomiten, die seit Freitag ebenfalls dazu gehören. Watten Weltmeer, möchte man sagen, das zwölf Millionen Vögeln als Rastplatz auf ihren Reisen dient und pro Quadratmeter mehr tierische Biomasse enthält als tropischer Urwald. Ein Großökosystem aus Sand und Schlick.
Der als Welterbe anerkannte Teil des Wattenmeers ist 9100 Quadratkilometer groß. Rechtlich ist die Fläche nun auch nicht besser geschützt als vorher, denn die Anerkennung der Unesco erhält ein Reservoir ohnehin erst, wenn der Schutz bereits überdurchschnittlich gut ist. Es belohnt also die Bemühungen um den Naturschutz. Dennoch besteht nun immerhin die Verpflichtung, das Wattenmeer mindestes so zu erhalten, wie es jetzt ist.
Holland und Deutschland sollten es daher vermeiden, irgendwelche Brücken übers Watt zu bauen. Das könnte zwar den Wattwurm freuen, der dann nicht immer zwischen den nackten Füßen wattwandernder Touristen durchschlüpfen müsste, aber zugleich die zuständigen Stellen bei den Vereinten Nationen alarmieren. Denn der Weltruhm ist immer nur dann gesichert, wenn die zuständigen Politiker die Finger von einschneidenden Großprojekten lassen. Nach Dresdens Elbtal könnte eine geplante Beton-Querung des Mittelrheins bald auch die Loreley aus der Unesco-Liste befördern. Geplanter Baustart: 2015.
Quelle: sueddeutsche.de/T5S383/2945270/Ruhm-und-Ebbe.html
Wer je mit Freunden aus dem Binnenland die Nordsee besuchte, um denen "mal das Meer zu zeigen", kennt die Gefahr tiefster Enttäuschung. Denn oft ist das Meer nicht da. Stattdessen breitet sich bis zum Horizont eine schlammige Fläche von den Dimensionen einer Wüste aus. Wo Segelboote auf sanften Wellen tanzen sollten, winden sich eigenartige Würmer durchs Watt. Das Watt ist, was man sieht, wenn das Meer gerade Ebbe hat. Daher heißen die Würmer Wattwürmer und das Meer Wattenmeer.
Seit Freitag kennt es die ganze Welt, denn die Unesco hat das niederländische Wattenmeer-Schutzgebiet sowie die schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Nationalparks Wattenmeer zum Weltnaturerbe erklärt. Weltnaturerbe und Weltkulturerbe unterscheiden sich dadurch, dass das Kulturerbe vom Menschen geschaffen und - siehe das dank Elbbrücke nun Ex-Erbe Dresden - auch von diesem zerstört werden kann. Das Naturerbe dagegen kann zwar vom Menschen zerstört werden - geschaffen hat er es aber ganz gewiss nicht.
Seit 1978 kooperieren die Wattenmeer-Anrainer Niederlande, Dänemark und Deutschland bei Erforschung und Schutz des gigantischen Feuchtgebiets, der weltgrößten zusammenhängenden Wattfläche von 13 000 Quadratkilometern. Wobei sie mal besser und mal schlechter zusammenarbeiteten: Das matschige Revier ist nämlich auch wirtschaftlich interessant, dort wird Fischfang betrieben, Wind erzeugt, nach Bodenschätzen gebohrt. Das Watt wird von Touristen erwandert, und tief drinnen im Schlick laufen Kabel bis in andere Kontinente. Die drei anliegenden Länder und einzelne Regionen bewerteten den Schutzbedarf des Wattenmeers durchaus unterschiedlich, auch wenn 1991 erstmals der Beschluss fiel, sich um den Welterbestatus zu bewerben.
Auch jetzt ist das Watt gespalten. Die Dänen haben ihren Streifen nicht als weltvererbungswürdig angemeldet, weil sie zunächst einen Nationalpark dort schaffen wollen. Und die 137 Quadratkilometer Hamburgisches Wattenmeer gehören ebenfalls nicht zum Weltnaturerbe. Der Senat der Hansestadt hatte Bedenken, die Elbvertiefung könnte behindert werden. Hamburg gratulierte aber am Freitag durch Umweltsenatorin Anja Hajduk "den Nachbar-Nationalparks" zum neuen Status, der "die großen Leistungen zum Schutz der einmaligen Naturlandschaft belohnt". Das Hamburger Stück Wattkuchen soll nun bei den Vereinten Nationen nachgemeldet werden.
Weltnaturerbe wird man nicht so leicht. Deutschland hatte bisher nur die Fossilienlagerstätte Grube Messel bei Darmstadt. Dafür gibt es 31 Stätten mit Kulturerbe-Status. Weltweit ist das Wattenmeer nun eines von 174 Naturerben, neben dem Grand Canyon etwa, dem australischen Great Barrier Reef oder den Dolomiten, die seit Freitag ebenfalls dazu gehören. Watten Weltmeer, möchte man sagen, das zwölf Millionen Vögeln als Rastplatz auf ihren Reisen dient und pro Quadratmeter mehr tierische Biomasse enthält als tropischer Urwald. Ein Großökosystem aus Sand und Schlick.
Der als Welterbe anerkannte Teil des Wattenmeers ist 9100 Quadratkilometer groß. Rechtlich ist die Fläche nun auch nicht besser geschützt als vorher, denn die Anerkennung der Unesco erhält ein Reservoir ohnehin erst, wenn der Schutz bereits überdurchschnittlich gut ist. Es belohnt also die Bemühungen um den Naturschutz. Dennoch besteht nun immerhin die Verpflichtung, das Wattenmeer mindestes so zu erhalten, wie es jetzt ist.
Holland und Deutschland sollten es daher vermeiden, irgendwelche Brücken übers Watt zu bauen. Das könnte zwar den Wattwurm freuen, der dann nicht immer zwischen den nackten Füßen wattwandernder Touristen durchschlüpfen müsste, aber zugleich die zuständigen Stellen bei den Vereinten Nationen alarmieren. Denn der Weltruhm ist immer nur dann gesichert, wenn die zuständigen Politiker die Finger von einschneidenden Großprojekten lassen. Nach Dresdens Elbtal könnte eine geplante Beton-Querung des Mittelrheins bald auch die Loreley aus der Unesco-Liste befördern. Geplanter Baustart: 2015.
Quelle: sueddeutsche.de/T5S383/2945270/Ruhm-und-Ebbe.html